Ständig geht es um Individuen und Selbstoptimierung, egal ob im digitalen Raum wie Instagram, dem Job oder dem Körper im Fitnessstudio. Doch: Wer oder was ist dieses „Selbst“? Was passiert mit diesem Selbst — dem Schaffendem und dem Betrachtenden — in audio-visuellen Medien, die ja unseren Alltag immer stärker prägen? Und was für eine Rolle spielt genau dieser Alltag in diesen Medien und in Bezug zum Selbst?
Diesen Fragen stellten sich die Beiträge des Institutskolloquiums der Europäischen Ethnologie der Universität Wien im SoSe 2020. Über das Semester hinweg trafen die Teilnehmenden auf diverse und multiple Formen des „Selbst“ in audio-visuellen Medien. So begegneten uns zum Beispiel unternehmerische, ethnographische, digitale, familiäre, filmende „Selbst“. Diese Diversität wurde nicht zuletzt auch durch die Bandbreite der audio-visuellen Methodik unterstrichen. Vom eher klassisch ethnographischen Dokumentarfilm „Weben mit dem Stift“, in dem nur Originalton gehört wird, über digitale Persönlichkeiten wie #Sergina, welche vor allem in Social Media Plattformen zu finden sind, bis hin zu klassischen TV-Formaten wie „Raus aus den Schulden“. Alle Formate verband jedoch ein Anspruch an „Authentizität“.
Es gab verschiedene Formen des schaffenden Selbst, angefangen beim zögerlichen Selbst, das hinter der Kamera steht, bis zum grenzüberschreitenden Selbst, das sich mal hinter und mal vor der Kamera befand. Die Filmenden zielten darauf ab, durch ihre Methodik ein in ihren Augen authentisches Bild von Alltag wiederzugeben.
Aber was bedeutet „Authentizität“ in diesem Fall? Alexa Färber umschrieb in unserer Diskussion Authentizität als „gelebte und wirksame Fiktion“. Diese „Fiktion“ wird auch in audio-visuellen Medien gelebt, aber vor allem wird sie repräsentiert, re-produziert und wirksam gemacht. Die Wahl des Formates ist dabei entscheidend, welche „Selbst“ gezeigt und als „authentisch“ wahrgenommen werden. Die Frage nach Authentizität, Repräsentation und Gestaltung stellt sich natürlich auch bei ethnographischen Texten, aber, wie das Kolloquium gezeigt hat, gibt es bei audio-visuellen Arbeiten sowohl eine andere affektive Ebene als auch ein breiteres Publikum. Texte benötigen weiterhin auch eine Form der „Expertenrolle“ der Autor_innen, um als authentisches Wissen rezipiert werden zu können. Filme erscheinen jedoch durch ihr Medialität vermeintlich authentischer, da viele heute noch den Eindruck erwecken wollen, sie zeichneten die Realität einfach nur auf.